2075 – Spectrum – Rabea Rogge
Es ist viel los in Deutschlands Raumfahrt und es gibt einen interessanten neuen SF-Roman, der den gegenwärtigen Zeitgeist und die technischen Entwicklungen aufnimmt und sie 50 Jahre in die Zukunft extrapoliert. Grund genug, zwischendurch mal wieder einen Newsletter zu tippern. Wenden wir uns zunächst dem hoch spannenden und (hoffentlich für immer) fiktionalen Stoff zu bevor wir auf zwei wichtige reale Ereignisse der aktuellen Raumfahrt mit wesentlicher deutscher Beteiligung blicken.
2075 – Wenn Schönheit zum Verbrechen wird

Unter diesem Titel kann man nicht nur einen spannenden SF-Roman lesen, sondern auch an einem gehaltvollen Gewinnspiel teilnehmen. Geschrieben hat ihn der bekannte Historiker, Soziologe und Unternehmensberater Dr. Rainer Zitelmann, der bislang eher für seine weltweit vertriebenen Fachbücher bekannt war. Sein neues Werk ist eine Dystopie, die angesichts so mancher gegenwärtigen Entwicklungen leider gar nicht mehr so unwahrscheinlich erscheint, wie sie es eigentlich sein sollte.
Die Handlung des Romans? Wir schreiben das Jahr 2075: Die radikale Gleichheitsbewegung „Movement for Optical Justice“ (MOVE) wendet sich gegen die ungleiche Verteilung von Schönheit. Sie hat es vor allem auf attraktive Frauen abgesehen, denn sie genießen – wie MOVE und zunehmend mehr politische Gruppierungen befinden – unverdiente Privilegien im Berufs- und Privatleben. Stück für Stück beginnt sich die Demokratie in eine Gleichheitsdiktatur zu verwandeln. Es beginnt mit höheren Steuern und beruflichen Nachteilen für gut aussehende Menschen. Die Situation verschlimmert sich immer mehr, als sich der radikale Flügel der Bewegung durchsetzt. „Überschöne“ Frauen, die so genannten „Privileged Beauties“, müssen sich nun einem chirurgischen Eingriff unterziehen, der so genannten „Optical Optimization Therapy“, um sie weniger attraktiv zu machen. Das bringt das Fass zum Überlaufen und der Widerstand beginnt sich zu organisieren…
Das Buch erscheint zwar erst Mitte Mai, aber halten Sie sich ran und bestellen Sie bald, denn das Gewinnspiel ist auf „Frühbesteller“ ausgerichtet, die vor dem 12. Mai kaufen. Das Buch kostet nur 22 €, ist also auch als kleines Ostergeschenk oder als Mitbringsel gut geeignet.
Und hier geht es zum Gewinnspiel:
Doch nun zur Raumfahrt, denn da gab es in den letzten Tagen zwei bedeutende Ereignisse mit wesentlicher deutscher Beteiligung.
Kurze Premiere

Das war eine kurze Premiere, und alles Daumendrücken war vergebens. Die Spectrum-Rakete des Münchner Unternehmens Isar Aerospace folgte am 30. März dem Schicksal von etwa 50 Prozent aller Orbitalträger, die ihren ersten Testflug unternehmen: Sie scheiterte, und das bedauerlicherweise schon nach wenigen Flugsekunden.
Der Kleinträger hob pünktlich um 13:30 Uhr mitteleuropäischer Zeit von der Startrampe im norwegischen Andøya ab. Aber schon ab der ersten Flugsekunde war klar, dass mit der Flugsteuerung etwas nicht stimmte. Erst leicht, dann immer stärker schlingernd stieg die Rakete in die Höhe. In der Flugsekunde 21 kippte der Träger dann vollständig. Die Triebwerke wurden abgeschaltet und 39 Sekunden nach dem Liftoff schlug die Rakete einige hundert Meter von der Startrampe entfernt im Wasser auf.
Den Verantwortlichen war klar gewesen, dass die Chancen für eine erfolgreiche Mission gering waren. Sie hatten somit vernünftigerweise keine Nutzlast an Bord genommen.
Die Stellungnahme von Isar Aersopace nach der Mission lautete wie folgt: Mit diesem Testflug konnten wir wertvolle Daten und Erfahrungen für zukünftige Missionen sammeln. Dank der strengen Sicherheitsvorkehrungen von Isar Aerospace und Andøya Spaceport war die Sicherheit aller Mitarbeiter jederzeit gewährleistet.
Eine solche Stellungnahme ist in der Form durchaus o.k. Fast schon ein wenig peinlich war dagegen eine nachgeschobene weitere Pressenote, die da lautete: What a success! At 12:30 PM CEST, Isar Aerospace’s Spectrum launch vehicle successfully lifted off from Andøya Spaceport in Norway. The launch vehicle was terminated after approx. 30 seconds in flight, and the vehicle fell directly into the sea.
Und noch einmal etwas später eine dritte Note:The successful first test flight from Norwegian soil for Isar Aerospace launch vehicle Spectrum marks a significant milestone for both Isar Aerospace and Andøya Spaceport.
Dazu ist zu sagen: Es war ein Testflug, der sicher interessante und wichtige Resultate brachte. Erfolgreich, wie von Isar Aerospace und fast den gesamten deutschen Medien dargestellt, war er aber ganz gewiss nicht, denn außer dem halbwegs sicheren Verlassen der Startrampe hat die sehr kurze Mission keine weiteren wichtigen Meilensteine absolviert, wie etwa das Durchfliegen des transsonischen Bereiches, das Überschreiten der maximalen dynamischen Belastung, den Abwurf der Nutzlastverkleidung, Stufentrennung und Zündung der zweiten Stufe, Flugstabilität, Treibstoffmanagement, Leistungsverhalten der Triebwerke und so weiter. In der Praxis bedeutet das, dass Testflug Nummer zwei praktisch wieder annähernd bei Punkt Null neu ansetzen muss.
Der Ablauf erinnerte ein wenig an den ersten Fehlstart der Falcon 1 von SpaceX im Jahr 2006. Auch damals endete die Mission der (sehr ähnlich aussehenden und ähnlich großen) Rakete nach nur wenigen Flugsekunden und nur wenige hundert Meter von der Startstelle entfernt. Seinerzeit folgten danach noch zwei weitere Fehlstarts, bis es Elon Musks Unternehmen gelang, erstmals einen privaten Satellitenträger in den Orbit zu befördern. Was danach aus SpaceX wurde wissen wir. Hoffen wir ähnliches auch für Isar Aerospace.
Rabea Rogge fliegt über die Pole

Die erste deutsche Frau im Weltraum heißt Rabea Rogge und das kam für viele recht unerwartet, wie ich den überraschten Kommentaren in meinem Umfeld entnehme. Dabei wurden die Vorbereitungen auf diese Mission seit gut einem halben Jahr öffentlich und vor aller Augen durchgeführt. Das Training der vierköpfigen Crew für die als Fram2 bezeichnete Mission hatte sogar noch einmal ein halbes Jahr früher begonnen. Mit Rogges Flug, der am 1. April begann, wurden die langdauernden Bemühungen, endlich – nach elf männlichen deutschen Astronauten – auch einmal eine deutsche Frau in den Weltraum zu befördern – ziemlich unspektakulär beendet und Claudia Kessler https://de.wikipedia.org/wiki/Claudia_Kessler kann ihre Stiftung https://astronautin.net/ueber-uns/ somit einstampfen.
Die vier Besatzungsmitglieder verbindet die langjährige Beschäftigung mit den Polen der Erde. Neben der 28-jährigen Robotik-Ingenieurin und Doktorandin Tabea Rogge, einer gebürtigen Berlinerin mit einem Master in Elektrotechnik, sind noch die Kommandantin der Resiliance mit an Bord, nämlich die norwegische Filmregisseurin Jannicke Mikkelsen, der Finanzier des Fluges, der maltesische (aber aus China stammende und in Norwegen lebende) Unternehmer und Abenteurer Chun Wang und der international bekannte australische Polarforscher Eric Philips. Diese vier werden in den kommenden vier Tagen 22 verschiedene wissenschaftliche Experimente durchführen.
Die Mission begann am 1. April 2025 um 2:46 Uhr mitteleuropäischer Zeit an der Startanlage 39A des Kennedy Space Centers. Nach knapp neun Minuten hatte die Resiliance mit Hilfe der zweiten Stufe des Trägers einen Orbit in etwa 420 Kilometern Höhe bei einer Bahnneigung zum Äquator von 90 Grad erreicht. Die Resiliance ist das einzige der insgesamt fünf Crew-Transportfahrzeuge von SpaceX das mit einer „Cupola“ ausgerüstet ist, einem sehr großen, halbkugelförmigen Beobachtungsfenster.
Die Flugbahn der Resiliance führt erstmals in der bemannten Raumfahrt über beide Pole. Den bisherigen Rekord für die steilste Inklination hielt interessanterweise eine Frau, nämlich Valentina Tereschkowa, die im Juni 1963 auf eine Bahnneigung von knapp über 65 Grad flog.
Der Name Fram2 bezieht sich auf das norwegische Polarforschungsschiff Fram, das zwischen 1893 und 1912 bei mehreren Nord- und Südpolexpeditionen eingesetzt wurde. Fram2 hat ein Originalstück des Teakdecks der Fram an Bord.
Aus den deutschen Medien sind bereits die ersten verdrossenen Stimmen zu vernehmen, in denen die Gemengelage aus SpaceX (also ganz, ganz schlimm, da Elon Musk), von einem reichen Unternehmer (gebürtiger Chinese, geht gar nicht) privat finanzierte (wo hat er nur das viele Geld her, da stimmt doch was nicht) Mission und fragwürdiger wissenschaftlicher Wert (nicht von DLR und NASA, somit kann das kann gar nichts sein) angesäuert kommentiert werden. Aber ich will nicht in Negativismus verfallen. Der überwiegende Rest freut sich über die Durchführung der Mission und vor allem für die sehr sympathische Rabea Rogge.
Hier ein recht guter und frei zugänglicher Artikel über Rabea Rogge und der Fram2-Mission: https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2025/02/diese-berlinerin-wird-die-erste-deutsche-frau-im-all-durch-zufall
Nachtrag
Nach einer perfekten Kurzzeitmission von drei Tagen und 15 Stunden Dauer ging der Crew Dragon Resiliance mit seiner vierköpfigen Crew am 4. April, um 18:14 Uhr mitteleuropäischer Zeit im Pazifik, 40 Kilometer vor Los Angeles, nieder. Es war die erste Landung eines Crew Dragon im Pazifik. Alle vorausgegangenen bemannten Einsätze von SpaceX führten zu Landungen entweder im Golf von Mexico (oder Golf von America, je nach Geschmack) oder vor der Ostküste Floridas.
