Bridenstine geht – ARTEMIS auch?
Es gibt nicht sonderlich viele gute Personalentscheidungen, die der abgewählte US-Präsident Trump während seiner chaotischen Herrschaft im Weißen Haus getroffen hat. Die vielleicht Beste war aber die des NASA-Administrators. Jim Bridenstine hat sich als wahrer Glücksgriff für die Raumfahrtbehörde herausgestellt. Ein Mann mit Umsicht, Weitblick, Führungsstärke, tiefgehendem Raumfahrtwissen und emotionaler Wärme. Weltweit geschätzt und geachtet während seiner bislang 30 Monate langen Amtszeit. Doch recht viel länger wird sie nun nicht mehr werden.
Traditionell verlassen die Administratoren der US-Raumfahrtbehörde ihren Posten mit den Präsidenten, der sie eingesetzt hat. Es gab allerdings auch einige wenige Ausnahmen zu dieser Regel. Bridenstine wird sie definitiv nicht brechen. Er hat bereits von sich aus seinen Rücktritt bekannt gegeben.
Er hat es wohl schon geahnt, dass er nicht sehr lange im Amt bleiben würde. Nicht zuletzt deshalb hat er das ARTEMIS-Programm in dieser kurzen Zeit so angelegt, dass es nicht mehr ohne weiteres sang- und klanglos eingestellt werden kann, wie ein halbes Dutzend Mond-Initiativen in den vorausgegangenen vier Jahrzehnten. Um das zu verhindern ist die US-Raumfahrtbehörde unter seiner Führung viele internationale Bindungen im Zusammenhang mit diesem Vorhaben eingegangen.
Dennoch dürfte eines sicher sein: ARTEMIS wird nicht zu den Top-Prioritäten eine Präsidenten Biden gehören. Zumindest wird jetzt zunächst einmal der Zeitplan gehörig gestreckt werden, wobei man konzidieren muss, dass bereits heute niemand, der sich ernsthaft mit der Materie beschäftig, an eine bemannte Mondlandung im Jahre 2024 geglaubt hat.
Mehr noch: Nachdem die Mondlandung im Jahre 2024 ein erklärtes Ziel von Trump war (er hätte damit gerne damit eine zweite Präsidentschaft triumphal abgeschlossen) wird dieses Ziel schon aus diesem Grund von den Demokraten nicht weiterverfolgt werden. Allerdings haben bei den künftigen Entscheidungen um das ARTEMIS-Vorhaben auch die jeweils zu etwa 50 Prozent mit Republikanern besetzten beiden Häuser des Kongresses immer noch ein Wörtchen mitzureden. Und schließlich gibt es auch unter den Demokraten namhafte Befürworter des Programms.
Die generelle überparteiliche politische Meinung in den USA ist es ohnehin, dass es die natürliche Rolle der USA sei, die Welt in der Raumfahrt mit bedeutenden Programmen anzuführen.
Lori Garver, eine der Kandidatinnen, die derzeit für Bridenstines Nachfolge gehandelt werden (sie war bereits unter Obama Vize-Administratorin) glaubt, dass die Zielrichtung der NASA zukünftig eher beim wenig glamurösen Klimaschutz liege. Erdbeobachtung statt Deep Space also.
Derlei Überlegungen sind derzeit aber noch pure Spekulation. Ein „NASA Transition-Team“ ist noch nicht eingesetzt, und wird es auch vermutlich auch nicht seine Arbeit aufnehmen, bevor Biden seine Amtszeit offiziell beginnt. Bridenstine selbst wird auch noch zwei Monate lang im Amt bleiben. Danach dürfte der Posten über Monate hinweg vakant sein. Bei der Besetzung der Positionen in einer neuen Regierung rangiert die des NASA-Administrators in der Priorität traditionell immer weit hinten.
Aber einige Spekulationen kann man ja mal anstellen. Neben Lori Garver werden derzeit vor allem weitere Frauen gehandelt. Das sind Wanda Austin, die frühere Präsidentin und CEO von The Aerospace Corporation, die frühere Astronautin Pamela Melroy, die nach ihrer aktiven Zeit Führungspositionen in der FAA und der DARPA innehatte und Wanda Sigur, die frühere Vizepräsidentin der zivilen Raumfahrt bei Lockheed Martin.
In einem Interview mit Aviation Week vor wenigen Tagen gab Bridenstine zu, noch nicht über seine Zukunft nachgedacht zu haben. Vielleicht übernimmt er eine Rolle in der Industrie, vielleicht geht es zurück in die Politik. Bridenstine ist gerade erst 45, ihm steht nach dieser hervorragenden Vorstellung bei der NASA alles offen. Zunächst aber, so meint er, ginge es jetzt zurück in seinen Heimatstaat Oklahoma.